Langenthal: Vier Neuzuzüge und eine Vertragsverlängerung
Nationalmannschafts-Direktor Raeto Raffainer hebt nach der Frauen-WM den Mahnfinger: „Wenn wir nicht bereit sind, noch mehr zu tun, werden wir von andern Nationen überholt und in ein paar Jahren nicht mehr olympisch sein.“
Raeto Raffainer, wie fällt Ihr Fazit der Frauen-WM in Finnland aus?
Ich habe zwei Spiele der Schweizerinnen und alle Viertelfinals vor Ort gesehen. Wir haben – rein resultatmässig – wie erwartet abgeschnitten. Alles andere wäre eine Überraschung gewesen.
Also sind Sie zufrieden?
Ja und nein. Wir bleiben auf dem 5. Weltranglisten-Platz, das ist positiv, weil wir damit auch nächstes Jahr in der stärkeren WM-Gruppe spielen können. Aber ich sage ganz klar: Wir müssen aufwachen und den Tatsachen ins Auge blicken. Wollen wir über 2022 hinaus olympisch bleiben, müssen wir investieren, noch mehr investieren. Wir haben heute fast keine Spielerinnen mehr, die problemlos auf diesem Niveau mithalten können. Da sind uns andere Nationen wie Deutschland, Japan oder Tschechien bedrohlich nahe gekommen und werden uns überholen, wenn wir nicht reagieren. Die Alarmglocken läuten, morgen schon könnte es zu spät sein.
Wie stellen Sie sich das vor, was muss passieren?
In Sachen Spielkultur und Disziplin sind wir mit andern Nationen – auch beispielsweise Russland – auf Augenhöhe, auch auf Stufe U18. Aber: In Sachen Skills, Athletik, Schlittschuhlaufen, Schusstechnik, um nur einige zu nennen, muss dringend mehr gearbeitet werden. Das braucht Zeit und Geld.
Sie sind also auf Hilfe „von aussen“ angewiesen.
Richtig. Wollen wir olympisch bleiben, müssen wir heute investieren und dazu brauchen wir auch die Unterstützung von Swiss Olympic. Wir müssen die Gelder, die wir in den letzten Jahren ins Frauen-Eishockey investiert haben, wieder generieren. Noch besser wäre, wenn wir sogar die Mittel hätten, um das Programm auszubauen und die hoffnungsvollsten Talente stärker zu fördern. Dazu braucht es einen (internen) Grundsatzentscheid: Wollen wir olympisch bleiben? Wenn ja, dann gibt es nur einen Weg: eine zukunftsorientierte Strategie zur Förderung des Schweizer Frauen-Eishockeys.
Diesen Weg werden Sie nicht mehr gehen, Sie scheiden als Nationalmannschafts-Direktor aus und wechseln als Sportchef zum HC Davos.
Das ist richtig, nichtsdestotrotz setze ich mich für das Frauenhockey ein. Wir haben in den letzten Jahren einiges erreicht, den Staff, das Umfeld, das Programm professionalisiert. Es wäre schade, würden wir jetzt den Stecker ziehen. Dafür braucht es aber – wie bereits erwähnt – weitere Investitionen, einen Ausbau des Staff und der Programme und vor allem auch Spielerinnen, die bereit sind, die Strapazen auf sich zu nehmen und diesen anspruchsvollen Weg zu gehen. Ich bin überzeugt, dass wir solche Spielerinnen haben.
Was werden Sie Ihrem Nachfolger in Sachen Frauen-Eishockey mitgeben?
Dass es sich lohnt, sich einzusetzen, für die Sache zu kämpfen. Erfolge wie zuletzt bei der U18 mit der erstmaligen Viertelfinal-Qualifikation und jetzt auch an der WM mit der Verteidigung des 5. Weltranglisten-Platzes, der uns Ende nächster Saison an die Olympischen Spiele 2022 bringen würde, kommen nicht von ungefähr.
Es ist also nicht alles schlecht im Schweizer Frauen-Eishockey.
Beileibe nicht, aber ich hebe noch einmal den Mahnfinger: Sind wir nicht bereit, noch mehr zu tun - und zwar auf allen Stufen, nicht nur auf Seite des Verbandes -, bleiben wir stehen und werden unweigerlich überholt. Und das wollen wir doch nicht, oder?
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